26.02.2013
"Was uns von anderen Jugendmagazinen unterscheidet? - Wir machen etwas, was von jungen Leuten selbst kommt“
"TONIC ist das Magazin von jungen Leuten für junge Leute, die einziehen, umziehen, ausziehen und das Leben suchen", so die Idee. TONIC startete vor zwei Jahren als Internetseite und ist im Dezember 2012 zum ersten Mal auf Papier erschienen. 32 junge Leute aus ganz Deutschland arbeiteten ehrenamtlich an dem Heft. Es enthält keine Werbung - der Druck wurde als Jugendinitiative über das EU-Programm JUGEND IN AKTION gefördert.
Anna Kohn sprach mit dem Chefredakteur von TONIC, Fabian Stark (22 Jahre) u.a. über die Entstehung des Projekts, über unterschiedliche Seiten von Mobilität in Europa und über ganz persönliche Lernerfahrungen durch die Projektarbeit.
Wie kam es zu dem Projekt TONIC?
Wir haben uns vor zwei Jahren beim Schülerwettbewerb vom SPIEGEL getroffen und wollten eine überregionale Schülerzeitung machen, aber in besserer Qualität. Eine Internetseite war am Anfang einfacher zu produzieren als ein Heft, deshalb haben wir damit angefangen. Die Arbeit daran war aber auch sehr gut, um Erfahrungen zu sammeln und auch mal "auf die Schnauze zu fliegen".
Inwiefern?
Wir sind ein Team aus ganz verschiedenen Leuten. Manche machen eine journalistische Ausbildung, andere sind Schüler, die noch nie einen Artikel geschrieben haben. Das ist völlig in Ordnung, aber bei dieser Mischung gibt es eben auch immer wieder Themen, die nicht allen Beteiligten gefallen. Darüber haben wir dann natürlich diskutiert. Wenn wir gleich ein Heft gemacht hätten, hätte dieser Prozess nicht stattgefunden. Das Magazin ist das Ergebnis von zwei Jahren Arbeit.
Was ist bei TONIC denn anders als bei den Jugendmagazinen, die schon auf dem Markt sind?
Ich glaube, was uns von anderen Jugendmagazinen unterscheidet, ist, dass wir etwas machen, was von jungen Leuten selbst kommt. Außerdem wollen wir nicht ständig ein Klischee von Jugend reproduzieren. Wir wollten nicht extra "Jugendthemen" behandeln – also eine Mischung aus Doktor Sommer und Geschichten über Leute, die trinken und sich auf der Wiese kugeln. Uns war es wichtiger, auch Themen im Heft zu haben, die nicht auf den ersten Blick Jugendthemen sind, aber auf den zweiten Blick doch mit der Phase zu tun haben, in der wir uns befinden.
Welche Themen sind das für dich?
Mich hat zum Beispiel selbst überrascht, dass auf unserer Homepage so viele Religionsthemen sind – zum Beispiel über Scientology, Mormonen und Freikirchen. Wir haben Religion nicht auf die Agenda gesetzt, aber bei dem Thema geht es natürlich auch darum, dass Leute nach dem Sinn suchen. Und das tut man zwischen 18 und 25 eben auch verstärkt.
Ist TONIC dann ein Heft über die Sinnsuche von Berliner Studenten oder will es mehr?
Auf jeden Fall will es das. Natürlich haben wir auch schon Artikel auf der Internetseite über die "Luxusprobleme" von Berliner Studenten gehabt. Aber wenn man das Heft anguckt, merkt man, dass es mehr ist als ein Ort, an dem jemand seine Pseudoprobleme behandeln kann. Ich denke zum Beispiel an den Artikel über Polyamorie, oder Felix, den Ghanaer, der flüchten will.
Felix' Geschichte ist auch politisch – immer wieder versucht er als blinder Passagier nach Europa zu kommen. Steht eine politische Ausrichtung hinter eurem Heft?
Eine politische Botschaft nicht, aber insgesamt kommt das Team doch eher aus einem linkskritischen, grünen Hintergrund. Ich fühle mich aber zum Beispiel keiner Partei zugehörig und fände es auch gut, wenn das Spektrum noch breiter wäre. Diese Themen haben wir speziell ausgewählt, weil in Ghana viele Leute in unserem Alter mit europäischen Freiwilligen in Kontakt stehen. Anna, die die Geschichte geschrieben hat, war auch dort und hat als Freiwillige gearbeitet. Felix befindet sich in einer ähnlichen Lebenssituation wie wir – und doch in einer ganz anderen.
Du sagst "in Kontakt mit europäischen Jugendlichen". Welche Bedeutung hat Europa für dich?
Für mich spielt Europa schon eine Rolle. Dazu eine persönliche Geschichte: Ich wohne in Neukölln, in einer WG, und der Erste, der hier gewohnt hat, war Ire. Als in Irland die Wirtschaftskrise herrschte, war sein gesamter Freundeskreis hier und hat in Berlin gearbeitet. Jetzt ist er wieder weg – und ein Spanier wohnt im dritten Zimmer. Und wieder versucht ein ganzer Freundeskreis, in Berlin Fuß zu fassen, weil sie in ihrem Land keine Zukunft mehr sehen. Junge Leute, gerade europäische junge Leute, sind heute sehr, sehr mobil.
Wie bewertest du das, diese Mobilität?
Natürlich ist der Grund furchtbar – dass mein Mitbewohner und seine Freunde hier sind, weil sie es in ihrem Land nicht mehr ausgehalten haben, weil sie von Polizisten verprügelt wurden oder ähnliches. Das ist sehr bedrückend. Aber dass es den Austausch gibt, ist auf der anderen Seite sehr schön. Das mag absurd klingen, aber: Zumindest in Berlin bringt die Krise eher Menschen zusammen, als dass sie den Kontinent spaltet.
Wie seid ihr auf die Förderung durch JUGEND IN AKTION gekommen?
Wir haben nach etwas gesucht, mit dem speziell junge Projekte gefördert werden, die auch von jungen Menschen selbständig umgesetzt werden. Was uns sehr gefallen hat, war, dass die Förderung nicht an solche Bedingungen geknüpft war, wie: Wir unterstützen euch nur, wenn ihr einen Artikel über diese T-Shirt-Fabrik macht. Dieses Vertrauen in uns fanden wir gut.
Apropos Vertrauen. Wie viel die Leser für TONIC bezahlen wollten, konnten sie selbst bestimmen. Hat dieses System funktioniert?
Ja, hat es. Im Internet konnten die Leser den Preis frei wählen. Im Schnitt haben die Leute sogar etwas mehr als fünf Euro dafür bezahlt – das ist der Preis, der auf dem Heft steht. Fünf Euro bezahlt man auch, wenn man das Heft an einem der Kioske in Berlin, Dresden, Leipzig oder München kauft, die es vertreiben.
Wieso wolltet ihr ausgerechnet ein Print-Magazin machen? Gerade in einer Zeit, in der die Frankfurter Rundschau und andere Zeitungen Pleite gehen.
Wir sind natürlich durch die Förderung in einer privilegierten Situation; das wissen wir auch. TONIC ist ein Leidenschaftsprojekt, unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen hätten wir das Heft nicht machen können. Das gedruckte Heft bekommt allerdings viel mehr Aufmerksamkeit als die Webseite. Und es hat es einen viel statischeren Charakter, an den Themen wurde länger gearbeitet, und sie sind deshalb wohl auch zeitloser. Das Heft in Print ist für uns auch etwas Symbolisches – real, und nicht virtuell. Ein bisschen wie ein Pokal.
Jetzt ist der Pokal schon etwas länger in euren Händen. Wie ist dein Fazit von der Arbeit an TONIC?
Ich habe für mich persönlich sehr viele Erfahrungen gesammelt in den zweieinhalb Jahren – zum Beispiel, wie Motivation funktioniert. Das hätte mir kein Coach erklären können. Da wäre wahrscheinlich die Rede von Bedürfnispyramide und Feedback gewesen. Das mag zwar stimmen, bleibt aber abstrakt, denn jeder Mensch ist vollkommen verschieden. Und genau das trifft auch auf die Zusammenarbeit zu - das habe ich durch Learning by Doing gelernt. Inhaltlich ist es natürlich auch wahnsinnig interessant. Man achtet auf aktuelle Diskussionen, und sucht nach den Themen, die uns wirklich beschäftigen. Ich glaube, man geht anders durch den Alltag.
Die Person: Fabian Stark, 22 Jahre alt, studiert in Berlin Europäische Ethnologie (Hauptfach) und Regionalstudien Asien und Afrika. Er war Chefredakteur bei der ersten Heftausgabe von TONIC. Unbedingt Journalist werden will er nicht; dafür sei diese Arbeit viel zu sehr auch sein Hobby, sagt er. Fabians nächstes Projekt ist seine Bachelorarbeit - dafür gibt er die Chefredaktion bei TONIC ab, bleibt aber weiter bei der Produktion dabei.
(Interview: Anna Kohn / Foto: Christoph Soeder, TONIC)
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Das Magazin können Sie auf der Internetseite von TONIC kaufen: www.tonic-magazin.de.
TONIC wurde gefördert über die Aktion 1.2 – Jugendinitiativen des EU-Programms JUGEND IN AKTION. Alles zu den Förderbedingungen finden Sie hier...
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