12.08.2013
Europäischer Freiwilligendienst: Hilfe nach der Flut – Luxemburger Freiwillige in Halle
Die Saale fließt träge dahin an diesem Augusttag. Schwer vorstellbar, dass sie vor zwei Monaten Teile der Stadt Halle vollkommen überschwemmt hat. Heute scheint der kleine Park rund um das Kulturzentrum Peißnitzhaus vor sich hin zu dösen. Lediglich ein paar Spaziergänger und Jogger haben sich hierhin verirrt. Und fünfzehn Freiwillige aus Luxemburg.
Auf die Frage hin, wieso er in Halle ist, zuckt der 20-jährige Jan mit den Schultern und sagt: "Ich habe das im Fernsehen gesehen mit Halle und der Flut. Und ich dachte mir einfach, die brauchen Hilfe. Sonst hätte ich einen Monat zuhause rumgehangen, also helfe ich lieber hier."
Die Idee stammt aus Luxemburg: Der "Service National de la Jeunesse" und die "Letzebuerger Guiden a Scouten" wandten sich an die Stadt Halle mit dem Angebot, der Stadt beim Beseitigen der Flutschäden zu helfen. Im "Friedenskreis Halle e.V." fanden sie einen Partner vor Ort und so entstand in kürzester Zeit ein Projekt im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes (EFD).
Von der Schwierigkeit, Hilfe annehmen zu können
In der Regel entsendet der Friedenskreis Halle junge Freiwillige für längere Zeit, bevorzugt in die Balkanregion, und nimmt auch Freiwillige von dort in Halle auf. Die Kooperation mit Luxemburg ist neu und die Projektleitung auf deutscher Seite, Anita Wuttke, berichtet, dass es gar nicht so einfach war, innerhalb von zwei Monaten alles zu organisieren. Die größte Herausforderung war es, Unternehmen, Firmen und von der Flut betroffene Einrichtungen zu finden, die überhaupt bereit waren, sich von jungen Luxemburger Bürgerinnen und Bürgern beim Wiederaufbau helfen zu lassen.
"So kurzfristig war das schwierig, denn viele zerstörte Einrichtungen warten immer noch auf Gutachten, und vorher kann mit den Aufräumarbeiten nicht begonnen werden. Oder sie wollen den Aufbau lieber von professionellen Firmen machen lassen", berichtet Anita Wuttke.
Spachteln, streichen, Steine schleppen im Kulturzentrum Peißnitzhaus
Im Peißnitzhaus, einem Kultur- und Bürgerzentrum der Stadt Halle in einem Park auf einer kleinen Insel, freuen sie sich sehr über die Hilfe der Luxemburger. Dort wird gespachtelt und gestrichen, werden Mauerteile eingerissen, das Dach neu errichtet und die Küche renoviert. "Can we fix it? YES we can!" steht auf den T-Shirts der Freiwilligen, die täglich von halb zehn bis rund 16 Uhr arbeiten. Gemeinsam anpacken. Aus dem bunt zusammen gewürfelten Haufen ist inzwischen eine Gruppe geworden.
Einige der Freiwillige waren enttäuscht, dass sie nicht an mehreren Einsatzorten beim Aufräumen der Flutschäden helfen können. Der 22-jährige Christophe aber sagt: "Wir könnten definitiv noch ein paar Monate am Peißnitzhaus bleiben, es gibt genug Arbeit hier." Der gelernte Dachdecker und Solarzellenmonteur arbeitet in Luxemburg als Freiwilliger beim Rettungsdienst.
"Unser Rettungsdienst hat schon LKWs mit Sandsäcken nach Deutschland gebracht, als das mit der Flut war", berichtet er. "Und dann habe ich das in den Medien gesehen, dass nun auch Leute gesucht werden. Na und jetzt bin ich hier." Christoph und Jan helfen nicht nur beim Aufräumen, sie begleiten die Arbeit der Gruppe auch filmisch und am Ende wird jeder eine DVD mit nach Hause nehmen. "Das Schneiden des Films ist auch harte Arbeit", berichtet Christoph, "wenn auch nicht körperlicher Art."
Die Ferien sinnvoll verbringen, anstatt zuhause rumzuhängen
"Ich wollte in meinen Ferien mal etwas Sinnvolles tun", beschreibt die 19-jährige Geraldine ihre Motivation, in Halle zu helfen. "Meine Familie und Freunde fanden das alle cool, die haben es sehr positiv aufgefasst und waren ziemlich begeistert."
In Luxemburg wurde im staatlichen Fernsehen und im Internet auf die Aktion aufmerksam gemacht und die deutsche Koordinatorin Anita Wuttke kümmerte sich unterdessen um die Unterbringung der jungen Leute bei Studenten aus Halle, um Fahrräder für die Freiwilligen, um Einsatzorte und auch um Aktivitäten am Wochenende. Ausflüge in die Umgebung, nach Leipzig und Dresden beispielsweise, ein Besuch beim Oberbürgermeister und ein Luxemburger Abend für die Hallenser stehen neben dem Malochen am Tage auf dem Programm.
Für den einen oder anderen Freiwilligen sind die vier Wochen in Halle auch der Auftakt für einen längeren EFD. "Ich spiele schon mit dem Gedanken, woanders hin zu gehen", sagt Jan, "für längere Zeit, und weiter weg. Das ist schon cool." Doch auch in einem Monat lässt sich schon einiges über die Kultur eines anderen Landes lernen. So nehmen die Luxemburger während ihres Aufenthalts in Halle ganz nebenbei auch etwas über Deutschland mit. Zum Beispiel: "Die Deutschen leben anders als wir. Ich will nicht sagen ärmer, aber... es ist nicht unser Standard." Das hören wir Deutsche gar nicht mal so oft.
Fehlende öffentliche Anerkennung
Schade finden die jungen Helferinnen und Helfer, dass viele Leute in Halle gar nicht wissen, dass sie überhaupt da sind. "Ja, das ist Solidarität hier, aber die wird nicht anerkannt", bedauert Christoph, "auch in Luxemburg interessiert das keinen, dass wir hier sind. Dabei ist es selten in unserem Land, so Leute wie uns zu finden." Der Bürgermeister von Halle, der hat sie höflich begrüßt, aber die Bevölkerung könnte mehr eingebunden sein.
Eine kleine Umfrage unter Hallensern in dem provisorisch im Freien errichteten Café des Peißnitzhauses ergibt, dass keiner weiß, wer die jungen Leute sind, die keine zwanzig Meter entfernt beim Schleppen der Steine in der Hitze schwitzen. Gewusst haben die Hallenser nichts, aber toll finden sie es: "Das ist ja super! Das ist eine gute Sache, schade, dass das nicht publik gemacht wird", sagt eine junge Mutter aus Halle.
Zwei ältere Damen meinen sich zu erinnern, die Aktion im lokalen Fernsehen gesehen zu haben. "Die Hilfsbereitschaft nach der Katastrophe war schon sagenhaft. Gerade die Jugendlichen haben sich sehr eingesetzt", lobt eine der Damen. Vielleicht hilft ja der von den Freiwilligen auf die Beine gestellte Luxemburger Abend, verstärkt mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten.
Bald sind die vier Wochen für Christoph, Geraldine, Jan und die anderen schon vorüber. Am 16. August reist die nächste Gruppe Luxemburger an, die dann einer Kita und dem Anglerverband bei den Aufräumarbeiten zur Hand gehen wird. Und das Peißnitzhaus, das wird mithilfe von einigen engagierten Europäerinnen und Europäern auch bald wieder seine Pforten öffnen. Vielleicht steht ein Luxemburger Abend ja dann öfter auf dem Programm.
(Text und Fotos: Elisa Rheinheimer)
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Das Projekt wird gefördert über die "Aktion 2 - Europäischer Freiwilligendienst" des EU-Programms JUGEND IN AKTION. Mehr zu den Richtlinien unter www.jugend-in-aktion.de
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Mehr Informationen zum "Friedenskreis Halle e.V." finden Sie hier...
Informationen zum "Service National de la Jeunesse" aus Luxemburg finden Sie hier...
Informationen zum Luxemburger Pfadfinderverband "Letzebuerger Guiden a Scouten" erhalten Sie hier...
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